Bericht aus dem Frauenforum

Wie verändert die Digitalisierung unsere Stadt?

Bericht über die Frauenforumssitzung am 22. Juni 2017
mit Sabine Geller und Belinda Hoffman-Schmalekow von ZAWIW zum Projekt „Danube Women City Guide und Christian Geiger von der Stadt Ulm, Grundsatzfragen 2.0, zu Veränderungen in der Arbeitswelt durch die Digitalisierung.

Frau Geller berichtete, das Donauprojekt „Danube Women City Guide“ solle keine Konkurrenz zu bestehenden Angeboten wie den Frauenstelen in Ulm darstellen, sondern diese ergänzen, um das Wirken von Frauen in Donauländern bekannt zu machen. Finanziert wird das Projekt durch die Landesstiftung Baden-Württemberg.
Die Webseite dazu befindet sich im Aufbau, dort sollen Informationen zu Frauen aus der Geschichte, Frauen von heute (aus Ulm beispielsweise die Musikerin Ariane Müller), Projekten und Rollenmodellen vorgestellt werden. Es wird eine Karte mit beteiligten Städten geben, auch die Ulmer Stelen werden dort zu finden sein. Zudem wird für örtliche Frauenführungen geworben. Europaweit findet die Zusammenarbeit mit Wien, Budapest, Novi Sad und Temeswar statt, in Ulm sind ZAWIW und das danube connects Magazin beteiligt.

Außerdem geplant sind eine App und ein kleines Büchlein mit Porträts von Frauen aus den Donauländern. Die Informationen werden auf Englisch zu Verfügung stehen, die Startinfo auf der Webseite auch auf Deutsch.

Frau Hoffmann-Schmalekow macht das Projekt unter jungen Frauen und Schülerinnen des St. Hildegard- und des Anna-Essinger-Gymnasiums bekannt. Frauen aus wichtigen Positionen berichten von ihren Erfahrungen, Ziel ist vor allem gegenseitiges Kennenlernen und Vernetzen.

Herr Geiger berichtete zunächst über verschiedene Aspekte der Digitalisierung und darüber, wie konkret in Ulm darauf reagiert wird:

Zukunft
Die Digitalisierung spielt in viele Bereiche des Lebens und Arbeitens hinein, einige Beispiele sind: multifunktionale Straßenlaternen, die gleichzeitig als Notrufsäulen fungieren und WLAN anbieten Kleidung mit Sensoren, um beispielweise Belastungen im Pflegebereich zu erkennen
Fitnessarmbänder, multifunktionelle Waagen, veränderte Technologien, Vormarsch der 3D-Drucker (ganze Autos aus dem 3D-Druck), dadurch wird der Raumbedarf der Fabriken deutlich kleiner werden ein Flugsimulator in 3D-Technik, den Birdly (demnächst auch in Ulm)
autonomes Fahren zunehmendes Sammeln von Daten über Personen, freiwillig und unfreiwillig; beispielweise können beim Betreten von Geschäften Alter, Geschlecht, Gemütszustand, Verweildauer vor bestimmten Waren, etc. erkannt werden

Historie
Auf Grund der vielen AkteurInnen ist es wichtig, nicht nur die Technologie im Blick zu haben, sondern auch eine Strategie dafür zu entwickeln.
Die Breitband-Infrastruktur, ist für heutige Firmen als Standortfaktor so wichtig, wie früher etwa Seezugang oder Straßen. In Ulm ist die Struktur bereits recht gut ausgebaut, oft von der SWU-Telenet, aber auch von anderen Anbietern. Dies erleichtert familienfreundliche Arbeitsweisen wie Home Office.
Die Zielsetzung von 50 Mbit/s ist weitgehend erreicht.

Mobile Endgeräte
Was mobile Endgeräte angeht, kann man von einer digitalen Kluft sprechen: Westdeutsche nutzen sie mehr als Ostdeutsche, Jüngere eher als Ältere, Männer eher als Frauen. Auch der berufliche Kontakt damit beeinflusst die private Nutzung.
Die Frage ist unter anderem, wie auch Mädchen und junge Frauen dafür begeistert werden können. In Ulm werden in Schulen IPads eingesetzt. Auf die Frage aus dem Forum, warum in Schulen kein offeneres System benutzt werde, antwortet Herr Geiger, das liege vor allem an der Sicherheit.
Auf den sozialen Medien sei Ulm bereits sehr präsent.

Die Ulmer Open Data Offensive bietet beispielsweise folgende Anwendungen:
Anzeigen freier Kita-Plätze
Schnelle Wege mit dem ÖPNV (Mapnificent)
Liniennetz des ÖPNV für RollstuhlfahrerInnen
Eine Vornamen-App

Jugend hackt
Dieser Wettbewerb für Süddeutschland wird in Ulm ausgetragen (vergleichbar mit „Jugend forscht“, aber mit digitalen Inhalten)

Beispiele in Ulm, bei denen digitale Angebote bereits eingesetzt werden oder geplant sind: BürgerInnen-Beteiligung über Internetplattformen, Livestream im Theater, Museums-App, Mitgeh-Börse, Verwaltungsleistungen,…

Zukunftsstadt
Der Frage, wie Ulm in 30 Jahren digital aussehen soll, wird in drei Phasen nachgegangen, derzeit befinden wir uns in Phase 2. Ulm braucht einen Masterplan, eine „digitale Agenda“, um die verschiedenen Projekte und AkteurInnen zu koordinieren, Fördermittelanträge zu stellen usw. Dabei wird nach dem bottum-up-Ansatz vorgegangen, d.h. es werden Ideen mit den AkteurInnen vor Ort entwickelt, beispielweise das Verschwörhaus oder die Unternehmerinitiative „initiative.ulm. digital e.V.“, die digitale Talente und Ideen fördert. Sie trifft sich jeden dritten Dienstag im Monat um 20 Uhr zu einem Stammtisch im Kornhauskeller.

Geplante Projekte und Veranstaltungen:
Sensoren, die den Straßenverkehr z.B. in der Karlstraße beobachten
das Donauprojekt zusammen mit Frau Geller zum Erfahrungsaustausch entlang der Donau
eine Münster App
der Birdly-Rundflug über Ulm
eine multimediale Veranstaltung am 14.7.17, 22 Uhr, in der das Ulmer Münster nachts mit Licht und Ton zum Leben erweckt wird
eine Fake NewsVeranstaltung am 17.7.17 (Herr Geiger leitet die Einladung an das Frauenforum weiter)

Spezifika der digitalen Entwicklung
Die Akteure sind bisher überwiegend männlich.
Es entstehen gute Entwicklungsmöglichkeiten für den ländlichen Raum und die Familienfreundlichkeit der Arbeit.
Es entsteht mehr Transparenz.
Ort und Zeit des Arbeitslebens werden flexibler, das kann sich sowohl positiv als auch negativ auswirken.
Die Markteintrittsbarriere für Selbstständige wird gesenkt.
Die digitale Kluft ist da, dem muss entgegengewirkt werden, unter anderem durch gute Aus- und Weiterbildung

Top 10 der Ausbildungsberufe
Eine Übersicht der beliebtesten Ausbildungsberufe zeigt, dass viele dieser Berufe durch die Digitalisierung gefährdet sind. Gerade diese gefährdeten Berufe werden häufig von Frauen gewählt.

Anschließend stand Herr Geiger noch für Fragen zur Verfügung

F: Die Digitalisierung ist nicht das einzige Zukunftsthema, auch andere Aspekte bleiben wichtig, z.B. die Erde zu schützen und dieses Anliegen auch weiterzutragen.

F: Auch die Industrialisierung habe Zeit gebraucht, schneller Wandel kann bestimmte Gruppen auch abhängen. Was kommt konkret als nächstes bei der Stadtverwaltung?

Geiger: Bei der Ulmer Stadtverwaltung liegt das Durchschnittsalter sehr hoch, der Fachkräftemangel wird die Stadt bei vielen bevorstehenden Aufgaben treffen. Anders als     in einem „normalen“ Unternehmen achtet die Stadtverwaltung darauf, dass niemand durchs Raster falle bzw. durch die Digitalisierung abgehängt werde. Es werde auch künftig nach dem Mehrkanalansatz verfahren, dass heißt es wird auch weiterhin AnsprechpartnerInnen geben. So ist es z.B. auch bei der meist genutzten E-Gouvernement-Anwendung, der Steuererklärung (Elster). Zudem dürfe man nicht vergessen, unterschiedliche Abläufe und Themen bedürfen unterschiedlicher Medien. Eine Einladung auf hochwertigem Papier vermittle eine ganz andere Wertschätzung als eine Einladung per E-Mail.

F: Wird es möglich sein, vergleichbar dem Online-Banking, die Dienstleistungen der Stadtverwaltung komplett digital abzuwickeln?

Geiger: Dazu bräuchte es eine Bundeslösung, damit sogenannte „Bürgerkonten“ auch nach Umzügen in ein anderes Bundesland schnell und vor allem sicher wieder zur Verfügung stünden.
Derzeit sei es noch so, dass es auf dem „alten“ Weg oft schneller gehe.
Insbesondere der Datenschutz sei eine große Herausforderung. Durch die intensive Vernetzung komme die Frage auf: Wem gehören die gespeicherten Daten? Wer nutzt sie wofür? Dies habe man nicht mehr im Griff, daher müssten alle überlegen, was sie miteinander vernetzen. Es sei auch ein wichtiger Bildungsauftrag, der Jugend diese Gefahr des „gläsernen Menschen“ bewusst zu machen.

F: Wie können Mädchen und Frauen mehr für MINT-Berufe und Digitalisierung begeistert werden?
F: In der Schule werde oft die Erfahrung gemacht, dass Geräte nicht richtig funktionieren,     viel Zeit auf der Strecke bleibe und soziale Netzwerke zu Ärger in den Klassen führen.

Geiger: Der Anspruch müsse sein, dass Medien und der Umgang damit einen Mehrwert bringen. Auch das Lehrpersonal muss gut geschult sein. Es brauche intelligente Lösungen, die den Nutzerinnen dienen. Die Bahn hat beispielweise ein Projekt am     Bahnhof Leutkirch, das zur Beratung die Möglichkeit einer Video-Konferenz anbietet.

Bericht: Nina Leinmüller