Vom Weltretten und U(l)mbauen
Weltladen-Geschäftsführerin Kirsten Tretter und Bürgermeister Tim von Winning zu Gast im Frauenforum am 16. Februar 2017
Der Ulmer Weltladen
Die Geschäftsführerin des Ulmer Weltladens, Kirsten Tretter, erzählte, dass der Ulmer Weltladen ganz überwiegend von Ehrenamtlichen, zum größten Teil Frauen, betrieben werde, die in 3-Stunden-Schichten Dienst tun. Weitere MitarbeiterInnen sind jederzeit willkommen.
Die Kündigung des alten Ladens erwies sich im Nachhinein als Glücksfall, da im neuen Haus mit BUND, ADFC, Weltladen und UNICEF mehrere wichtige Institutionen unter einem Dach sind. Der Ulmer Weltladen ist eine Non-Profit-Organisation und als Verein organisiert, Vorsitzender ist Lothar Heusohn, Geschäftsführerinnen sind Kirsten Tretter und Sonja Schlenk.
Das meist verkaufte Produkt ist nach wie vor Kaffee, es können aber auch andere Lebensmittel, Haushaltswaren, Bücher, CDs, Kunsthandwerk, Schmuck und Textilien erworben werden. Letztere werden im neuen Laden stärker nachgefragt. Außerdem gibt es eine Kaffeebar.
Die Produkte kommen hauptsächlich aus dem globalen Süden (früher „Entwicklungsländer“ oder „Dritte Welt“), inzwischen werden aber auch faire Milchprodukte aus Deutschland angeboten.
Gespräch mit Bürgermeister Tim von Winning
Herr von Winning ging zunächst auf Fragen ein, die ihm vorab durch die Sprecherinnen des Frauenforums zugesandt wurden.
Herr von Winning berichtete, er sei nun seit eineinhalb Jahren wieder in Ulm, nachdem er bereits von 2002 bis 2005 als Projektleiter in Ulm unter anderem das Projekt „Neue Mitte“ begleitete. Anschließend war er 2 Jahre in Erlangen und 8 Jahre in Tübingen. In Ulm gehe es nun hauptsächlich darum, die angestoßenen Baumaßnahmen zu begleiten, vor allem den Bau der Linie 2, der im Übrigen gut im Zeitplan liege, aber teurer werde. Das liege aber nicht an fehlerhafter Planung.
Des weiteren seien zusätzliche Verbesserungen im Radverkehr notwendig.
Zum großen Thema Bahnhof erläuterte Herr von Winning, das Projekt S 21 sei volkwirtschaftlich kritisch zu sehen, betriebswirtschaftlich bringe es für Ulm durch die Neubaustrecke positive Effekte. Der Ulmer Bahnhof sei nicht repräsentativ und teilweise von mangelhafter Bausubstanz. Ein Neubau des Empfangsgebäudes durch die Bahn sei seiner Einschätzung nach nicht in den nächsten 15 Jahren zu erwarten. Der neue Abgang mit Passage und Tiefgarage komme vorher.
Die Vorplanungen zum Bahnhofsvorplatz waren aus seiner Sicht nicht optimal was die große Überdachung angeht. Das alte Dach ist in Ordnung, kann aber nicht ab- und wieder aufgebaut werden, da es heutigen Ansprüchen nicht mehr genügt. Auf die Frage aus dem Forum, wie groß der Abstand zwischen Bahnhofsgebäude und geplantem Dach sei, antwortete von Winning, drei Meter seien allein deswegen nötig, um das Bahnhofsgebäude später sanieren zu können, denkbar sei, dann Lücke durch ein Vordach am Bahnhofsgebäude zu schließen, um durchgehend Regenschutz zu bieten, dies sei aber Sache der Bahn.
Die Frage der Anzahl der Spuren in der Friedrich-Ebert-Straße ist geklärt, von Winning betonte, die Leistungsfähigkeit bleibe mit drei Spuren gut. Durch die Ampelphasen beim Theater und in der Zinglerstraße werde der Verkehr in die Friedrich-Ebert-Straße reguliert.
Beim Bau von Tiefgarage und Passage ist mit erheblichen Einschränkungen zu rechnen, da der Straßenverkehr komplett auf die Innenseite verlegt werden wird und somit die Straßenbahnschienen überquert werden müssen.
Im Wohnungsbau sei die Lage in Ulm laut Herrn von Winning nicht so dramatisch wie in anderen Städten, neue Wohngebiete wie Safranberg, Egginger Weg und Hindenburgkaserne könnten daher sorgfältig angegangen werden. Man müsse sich die Zeit nehmen, die es brauche, und auch die Qualität des öffentlichen Raumes beachten.
Im Anschluss war Raum für Fragen an Tim von Winning aus dem Forum:
Frage: Wird bei der Umleitung während der Bauphase am Bahnhof auch an Radfahrende gedacht?
Antwort: Eine eigene Fahrradspur wird nicht möglich sein, auf eine gute Ausschilderung wird aber Wert gelegt.
F: An der Donaubastion wurden dankenswerterweise Bäume gepflanzt, wie sieht der Ausgleich für die Bäume aus, die an Bahnhof und Theater gefällt wurden?
A: Die gefällten Bäume wurden vorab erfasst und werden mit gleicher Wertigkeit ersetzt, teilweise an Bahnhof und Theater, teilweise aber auch anderswo.
F: Wie kann die Stadt der Zunahme an Werbung im öffentlichen Raum entgegentreten?
A: Dazu gibt es städtische Regelungen, die Stadt verdient durch einen Vertrag mit der Firma Wall Geld damit. Derzeit wurden beispielsweise in der Hafengasse und der Kramgasse Ersatzstandorte geschaffen, die der Baustelle für die Linie 2 zum Opfer fielen. Einige Läden halten sich nicht an Vorschriften, was die Platzierung ihrer Aufsteller betrifft.
Die Pflege der Haltestellen wird derzeit noch von der Firma Wall übernommen, wird künftig aber wieder städtisch. Die Frage sei nur, ob der gute Zustand dadurch zu halten sei.
F. Die Verkehrsplanung um die Baustelle zur Linie 2 wird gelobt, besonders der Kreisel an der Römerstraße. Kann dieser dauerhaft bestehen bleiben?
A: Das geht nicht, da die Straßenbahn keinen Kreisel fahren kann.
F: Wie wird bei der Überdachung des Bahnhofplatzes darauf geachtet, dass ÖPNV-NutzerInnen nicht im Regen stehen?
A: Die komplette Länge der Haltestelle von 120 Meter wird nur abends und nachts beim sogenannten Rendezvous-Betrieb des ÖPNV gebraucht, also wenn die Busse und Bahnen aufeinander warten. Es wird also nicht die komplette Länge überdacht. aber an der Haltestelle werden spezielle Wartehäuschen aufgestellt.
F: Warum kann der Bus eines privaten Anbieters aus Gögglingen nicht auf der städtischen Bustrasse fahren?
A: Auf Schienen dürfen keine anderen Fahrzeuge als Straßenbahnen und SWU-Busse fahren. das hängt mit komplizierten Vorschriften die Bauförderung betreffend zusammen.
F: Wie sieht es mit dem Ziel aus, 20% des Verkehrs aufs Fahrrad zu verlegen?
A: Wird vermutlich nicht erreicht werden, die Infrastruktur soll aber weiter verbessert werden, beispielsweise durch Schutzstreifen. Unfälle passieren meist nicht auf der Strecke, sondern an Kreuzungen. Die Bedürfnisse der RadfahrerInnen sind recht unterschiedlich, da sie die inhomogenste Gruppe sind.
F: Wie werden die Bedürfnisse schneller RadlerInnen berücksichtigt? Außerdem wird verwiesen auf autofreie Innenstädte in der Schweiz, z.B. Zürich. Der Autoverkehr müsse unattraktiv werden.
A: Da, wo es möglich ist, können RadlerInnen schnell fahren, aber es ist nicht überall möglich und jeder müsse sich mit den Gegebenheiten arrangieren. Entscheidungen über Maßnahmen für weniger oder keine Autos in der Innenstadt bedürfen der Mehrheit im Gemeinderat.
F: Warum gibt es jetzt so viele Baustellen auf einmal?
A: Das liegt zum einen daran, dass sich die Sedelhöfe um drei Jahre verzögert haben. Die Straßenbahn muss jetzt gebaut werden, um die entsprechende Förderung zu bekommen, der Bau der Tiefgarage ist jetzt gewollt.
F: Warum gibt es in der Fahrradstraße im Ulmer Westen nicht mehr Tempokontrollen? Wann kommt Tempo 30 in die Wagnerstraße?
A: Tempokontrollen können nur in einem bestimmten Maße durchgeführt werden, Fahrradstraße wird kontrolliert. Was Tempo 30 in der Wagnerstraße angeht, ist Ulm an die Straßenverkehrsordnung gebunden, die im Stadtgebiet grundsätzlich Tempo 50 erlaubt, Einschränkungen seien nur aus folgenden Gründen möglich: Lärm, Luftreinheit, Sicherheit.
F: Wie definieren Sie eine Baugemeinschaft und warum gibt es in Ulm bisher so wenige im Gegensatz zu Tübingen?
A: Die Gründung von Baugemeinschaften kann die Stadt nicht vorantreiben. Die Bereitschaft muss von den Bürgern selbst kommen. Grundsätzlich sei eine Baugemeinschaft zunächst nur eine Möglichkeit, ein Haus zu bauen, ohne zwingend eine Form der Gemeinschaft zu beinhalten. Auch zwei Investoren, die Mietwohnungen bauen, sind eine Baugemeinschaft. Auch in Tübingen gab es Privatpersonen, die sich einer Baugemeinschaft angeschlossen haben, mit dem Zweck die Wohnung zu vermieten. Er sieht nichts Verwerfliches in diesem Ansinnen.
F. Wie kann Bauwilligen Planungssicherheit gewährleistet werden? Im konkreten Fall wurden Abstandsflächen auf dem Nachbargrundstück nachträglich verändert.
A: Auf diese Frage kam keine Antwort von Herrn von Winning.
F: Warum kann die Bäckerei Bayer in Söflingen einen Neubau mit Cafe (60 Plätze) und sieben Wohnungen ohne Autostellplätze oder einer TG bauen?
A: Das ist rechtlich in Ordnung, weil aus baulichen Gründen eine Tiefgarage nicht machbar ist.
F: Wie sehen Sie den Neubau in der Wengengasse, wo die Fußgänger unter den Arkaden laufen und fünf Parkplätze wegfallen?
A: Herr von Winning begrüßt dieses Vorhaben und meint, das höhere Gebäude wird sich den Gebäuden im Wengenviertel anpassen.
Bei allen Bauvorhaben in der Stadt Ulm sind zwei Aspekte Herrn von Winning besonders wichtig „nicht das Maximum heraus holen“ und“Qualität soll entstehen“.
F: Eine Forumsteilnehmerin merkt an, dass im Wohnungsbau eben keine Zeit sei, sondern gerade günstiger Wohnraum sehr dringend gebraucht werde.
A: Die Definition günstigen Wohnraums habe sich verändert, früher, in den 50er bis 70er Jahren, gab es für einen ähnlichen Teil des Einkommens weniger Quadratmeter. Wichtig sei, dass in Ulm viele Wohnungen in öffentlicher Hoheit seien.
F: Eine Frau bittet darum, dass die Hirschstraße schön bleibt.
A: Darum bemüht sich die Stadt.
F: Wie steht es mit Schulsanierungen, gerade im Hinblick auf die Spitalhofschule?
A: Die Spitalhofschule ist saniert, in diesem Fall war es einfach Pech, dass eine neue Heizungsanlage vier Mal aus unterschiedlichen Gründen ausgefallen sei. Zudem sei die Schule energetisch problematisch, da die Klassenzimmer sehr viele Außenwände haben und schnell auskühlen. Inzwischen sei, um die Zimmer warmzuhalten, die Nachtabsenkung gestoppt.
Bericht: Nina Leinmüller